Wie Objectives and Key Results (kurz OKR) und Kommunikations-Controlling zusammenhängen, diskutieren wir mit Judith Braun. Sie ist OKR-Architektin in der Unternehmenskommunikation der Telekom und Multi-Methodenmixerin. Zu OKR ist sie durch ihre Affinität zu agilen Methoden gekommen. Was findet sie rückblickend auf ihre lange Erfahrung mit der Methode so gut daran? Wir klären, worauf man  sich einstellen muss, wenn man sein Team danach ausrichtet und ob sich Kommunikations-Controlling und OKR gegenseitig ausschließen oder sinnvoll ergänzen.

Measurement Mashup Podcast 12 Judith Braun

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Judith Braun ist seit 30 Jahren bei der Telekom, startete in der Beamten-Talentschmiede mit einem Studium zur Diplom Verwaltungswirtin und ist heute Senior Experte Kommunikation. Dazwischen liegen lange Jahre Arbeit mit agilen Methoden, Scrum, Design Thinking, OKR und ganz generell dem Thema New Work. Heute leitet sie ein Team von sechs OKR-Coaches bei der Telekom.

OKR – Neue Management Methode oder Wundermittel für Organisationen?

OKR steht für Objectives (Ziele) und Key Results (Schlüsselergebnisse). Jede Art von Unternehmen, das einer Vision folgt, sieht sich zwei Hindernissen gegenüber, sagt Judith Braun: Knappen Ressourcen und einem dynamischen komplexen Umfeld. Braun vergleicht das mit einer großen Blumenwiese, für die nur eine kleine Gießkanne zu Verfügung steht: Man kann nicht alle Blumen ausreichend gießen. OKR hilft, in solchen Situationen die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Welche Ansätze sollen gepflegt werden und welche Erwartungen knüpfen sich an diese Entscheidung? Im Kommunikationskontext bedeutet das: Auf welche Botschaften konzentriert man sich, und wie sollen sie vom Publikum aufgenommen werden? Die damit einhergehende aktive Entscheidung gegen bestimmte Aktivitäten kann schmerzhaft sein.

 „OKR ist vor allem ein Framework für kritisches Denken und gute Diskussionen“ Judith Braun

Noch spannender und schwieriger als die Festlegung auf Objectives findet Braun jedoch die Erarbeitung der Key Results, Diese legen Erfolgsfaktoren fest, mit denen das jeweilige Ziel am wahrscheinlichsten erreicht werden kann. Im Team müsse dann erstmal ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden dafür, wie Erfolg aussieht und was der beste Weg dahin ist, Am Ende steht die Metrik, die zum Key Result gehört. Alles zusammen genommen entstehe so also eine Mini-Strategie.

Was ist der Unterschied zu anderen agilen Methoden wie Scrum?

Sowohl Scrum als auch OKR sind agile Arbeitsmethoden. Sie bestehen aus kurzen Zyklen des Lernens und Experimentierens mit häufigen Treffen, um zu überprüfen, ob der eingeschlagene Weg richtig ist.
OKR sei strategisch eine Ebene höher angesiedelt, weil es sich mit der Richtung, den Erfolgsfaktoren, den Zielen auseinandersetze, erklärt Judith Braun. In OKRs werden keine Maßnahmen oder To-Do-Listen formuliert. Diese Aufgabennachverfolgung könne man gut in Scrum machen oder mit anderen agilen Methoden wie Kanban. Aber auch klassisches Projektmanagement oder hybride Methoden seien dafür geeignet.

Ein Beispiel: am Geschäftsjahresbeginn wird festgelegt, dass in einer bestimmten Zielgruppe die Markenbekanntheit und das Wissen über das Leistungsportfolio des Unternehmens gesteigert werden sollen. Die einzelnen Teams – z.B. Kommunikation, Marketing oder IT – würden dann ableiten, was sich in ihrem Bereich am Ende des ersten Zyklus in Bezug auf die Markenbekanntheit geändert haben soll und woran sie merken würden, dass sie diese erfolgreich gesteigert haben, erklärt Braun. Meist untergliedere man das Jahr in vier Zyklen, also Dreimonats-Zeiträume. Jedes Team würde die Erfolgsfaktoren für den nächsten Zeitraum definieren – braucht es zum Beispiel Fortbildungen oder Multiplikatoren, um weiterzukommen? Wenn die OKR so definiert sind, dann kann das Vorhaben in die Projektarbeit gehen.

Viele Abteilungen integrieren ohne Silodenken – wie schafft man das?

Im Unterschied zum klassischen Zielemanagement werden bei OKR alle Schritte von den Abstimmungsrunden bis zu den Entwürfen und den Ergebnissen transparent für alle dokumentiert, sagt Braun. In ihren Projekten werde zusätzlich in einem monatlichen Meeting Raum geschaffen, Rückfragen zu stellen und sich inhaltlich zusammenzuschließen. Die Plattform, auf der dokumentiert werde, sei egal. Hauptsache, jeder könne jederzeit alle relevanten Entscheidungen nachlesen. Eine digitale oder agile Arbeitskultur ist eine gute Voraussetzung, um eine geeignete Dokumentationsart zu finden.

Der Blick auf die Key Results mache es den Abteilungen leichter, sich von liebgewonnenen, ineffektiven Aktivitäten zu trennen. Wenn bei diesen “Darlings” die nötigen Ergebnisse nicht eintreffen, brauche es irgendwann das gute Gespräch und die Einsicht, dass eine bestimmte Maßnahme vielleicht ihre Zeit hatte, aber für die aktuellen Ziele und Rahmenbedingungen nicht hilfreich sei, wie Braun sagt.

Key Performance Indicators und Key Results – Unterschiede und Zusammenhänge

Ähnlich wie beim Kommunikations-Controlling werden also bei OKR stategisch Ziele vereinbart und verfolgt. Wie verhalten sich beide Modelle zueinander? Das Wirkungsstufenmodell im Kommunikations-Controlling definiert unterschiedliche Ebenen, grob gefasst Input, Output, Outcome und Outflow. Oder: Kommunikation findet statt, wird erkannt, akzeptiert und hat Einfluss auf Einstellungen und Meinungen, wie Braun sagt. OKR setzt dabei auf der rechten Seite des Modells an: die vereinbarten Objectives müssen in der Outcome-Ebene liegen und nicht schon bei Klicks oder Visits auf der Output-Ebene.

„OKR sind wie ein GPS in eine dynamisch-komplexe Zukunft.“ Judith Braun

Ein Key Result zeige die Erfolgsfaktoren, die die größte Wahrscheinlichkeit haben, dass ein Ziel überhaupt erfolgreich sein kann, erklärt Judith Braun. Ein KPI dagegen zeige mit Zeitverzögerung an, ob die Maßnahmen erfolgreich waren.

Wichtig sei es, dass OKR auf eine dynamisch-komplexe Zukunftssituation abzielen, die auch mit viel Expertise nicht vorhersagbar sei. Braun spricht davon, dass man sich mit OKR strukturiert und erfolgsorientiert gemeinsam in Richtung Ziel irre – deswegen seien auch die kurzen Zyklen zur Kurskorrektur nötig.

KPIs würden eher anzeigen, ob und wie das zugrundeliegende Business gegenwärtig laufe. Oft fiele es Firmen oder Abteilungen, die schon mit KPIs arbeiten, leichter, in OKR einzusteigen, weil viele grundsätzliche Überlegungen schon getroffen wurden.

Gerade bei Firmen, die schon viele KPI überwachen, könne ein OKR-Anwendungsfall etwa darin bestehen, abweichende KPI wieder in den grünen Korridor bringen. Ein anderer Anwendungsfall sei ein „Moonshot“ – eine Situation, in denen man ganz groß und jenseits der üblichen Pfade, out-of-the-box denken müsse. Mit OKR könne man hier mit Experimentierfreude und der Möglichkeit, ggf. auch zu scheitern, in einem Zyklus an groß angelegten Lösungen arbeiten.

Key Results und Metriken

Wenn man Judith Braun zuhört, wird klar: Key Results brauchen keine Rapportmetriken, d.h. Zahlen, die sich möglichst gut darstellen lassen, um vor dem Chef keinen schlechten Eindruck zu machen. Sie spricht im Zusammenhang mit Key Results von Lernmetriken. DIese Metriken zielen darauf ab, dass man entweder etwas gewinnt oder lernt. Gerade bei riskanteren Zielen, bei denen das Experimentieren im Vordergrund stehe, müsse man offen und ehrlich mit Sackgassen umgehen, um umsteuern zu können.

Agile Meetingkultur

Wenn man OKR einführt, sollte man auch seine bestehenden Meetings auf den Prüfstand stellen, damit die Einführung nicht an einem „zu viel“ an Meetings scheitert. Manchmal sind alte Formate nicht mehr nötig oder lassen sich mit den OKR-Meetings zusammenführen. Als agiles Austauschformat sind OKR-Meetings sehr knapp und strukturiert. Es kämen nur die Leute zusammen, die Mehrwert bieten, außerdem werde nicht frei diskutiert, sondern vier Fragen geklärt, sagt Braun:

  • Gibt es einen Fortschritt bei dem jeweiligen Key Result?
  • Gab es Hindernisse?
  • Ist man zuversichtlich, dass das Key Result bis zum Ende des Zyklus erreicht wird?
  • Welche Top-Prio-Maßnahmen stehen bis zum nächsten Treffen an?

In Brauns Team bei der Telekom begleiten und schulen interne OKR-Coaches die Teams, bis diese den Zyklus beherrschen und die Prozesse autark bedienen können.

Typische Startschwierigkeiten

Egal wie gut man sich auf den Umstieg auf OKR vorbereitet, in den ersten Zyklen falle man erfahrungsgemäß immer auf die Nase, meint Judith Braun. Es sei nicht so einfach, aus der Output-Denke herauszukommen und seine Key Results nicht mehr als To-Do-Listen zu formulieren. Diesen Lernprozess muss offenbar jeder erstmal durchlaufen, und diese Schwierigkeit sollte man in den ersten Monaten auch offen kommunizieren.

Die größte Herausforderung sei in ihrer Erfahrung die Balance zwischen der Treue zu den Prinzipien der Methode und pragmatischer Anpassung, so Braun. OKR sei die am schlechtesten dokumentierte agile Methode und lasse dadurch viele Freiheiten. Und natürlich gäbe es keine Standardlösung für alle. Andererseits muss man sich an ein paar methodische Eckpunkte halten, wenn man sich die Vorteile der Methode erschließen will:

„Diskutiere nicht mit der Waage, wenn du abnehmen möchtest.“ Judith Braun

Wichtig sei, dass die Teams passende Strukturen entwickeln und die Anlässe für gute Gespräche nutzen. Judith Braun erzählt, dass sie von den klassischen vier Jahreszyklen auf drei reduziert hätten, weil die Workshops sonst immer in die Ferien fielen. Und dass sie eine wunderbare Excelvorlage zur Dokumentation gebaut hätten, die aber aufgrund der Komplexität kaum ein Team genutzt habe. Jetzt würden die Teams mit einer vorgegebenen Grafik mit den vier Hauptfragen in die Meetings gehen und die Ergebnisse dann eigenständig dokumentieren.

Was bringt die Umstellung auf OKR?

„Die Methode ist wirklich wunderbar geeignet für die Zusammenarbeit gerade in großen Firmen, entlang von Wertschöpfungsketten und nicht von Abteilungsgrenzen.“ Judith Braun

Der erste Quick Win sei die größere Transparenz gewesen, sagt Braun. Die Mitarbeiter fanden es hilfreich, einmal im Zyklus zusammenzukommen und die Fokuspunkte zu benennen und über eine Review-Retro-Struktur ständig im Austausch zu sein. Braun beschreibt, wie diese Struktur auch über Abteilungsgrenzen viel mehr interne Anknüpfung und Zusammenarbeit möglich mache und helfe, Silos aufzubrechen: Abteilungen arbeiteten mittlerweile gemeinsam auf „shared key results“, gemeinsame Schlüsselergebnisse, hin.

Shownotes

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Über Judith Braun

Nach dem Berufseinstieg im Vertriebsmarketing arbeitete Judith Braun mehrere Jahre im Eventmanagement der Telekom. Zwischenzeitlich betreute sie in London ein Plattenlabel an der Portobello Road und organisierte Touren weltweit. Zurück in Deutschland stieg sie wieder bei der Telekom in die Konzeption und Durchführung von Kundenevents ein und entwickelte eine konzernweite Event-Scorecard. Heute kümmert sie sich als Senior Experte Kommunikation um die Digitale Transformation, New Work und Kommunikationsstrategie der Telekom.