CEO-Positionierung, das steht für den Aufbau der Unternehmensführung zu einer eigenen Personenmarke. Im besten Fall ist diese eng mit den Unternehmensthemen verknüpft und gibt ihnen ein Gesicht. Jan Hiesserich hat zwei Bücher zum Thema geschrieben. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, wie man die so entstandene Marke innerhalb der Unternehmenskommunikation steuern und messen kann. Da wir kurz vor der Bundestagswahl 2021 gesprochen haben, sind reichlich Analogien aus dem Politikbetrieb eingeflossen.

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Mit dem US-amerikanischen Datenanalyse-Unternehmen Palantir Technologies ist Hiesserich seit Anfang dieses Jahres bei einem Unternehmen als Communication & Strategy Executive tätig, das mit seinen Produkten für viele Unternehmen Wegbereiter der digitalen Transformation ist. Technologie jedem zugänglich zu machen sei eine Herausforderung, sagt Hiesserich. Man neige dazu, Technologie mit Erwartungen zu überfrachten und in aller Regel gehe das schief. Technologie sei immer nur Mittel zum Zweck und mache nur einen vergleichsweise geringen Anteil der digitalen Transformation aus.

 „Für den Erfolg der digitalen Transformation macht die Technologie vielleicht zehn, zwanzig Prozent aus. Der überwältigende Teil der der Herausforderung ist kultureller Art. Und da kommt der Kommunikation eine enorme strategische Relevanz zu… Für mich sind Technologie und Kommunikation zwei Seiten ein und derselben Medaille“. Jan Hiesserich

Ursprünglich hat Jan Hiesserich Politikwissenschaften an der Universität Bonn studiert und dann einen Master in “Internationalen Beziehungen” an der Karlsuniversität Prag absolviert. Er belegte an der Universität von Pennsylvania ein Executive Education Programm und nahm in Harvard am High Potential Leadership Programm teil. 15 Jahre lang hat er als Berater für Kommunikation bei Finsbury Glover Hering gearbeitet, ab 2020 war er Head of CEO Communications & Strategic Positioning beim Softwarekonzern SAP. Seine Erfahrungen sind in zwei Fachbücher zum Thema CEO-Positionierung geflossen, „Der CEO-Navigator“ und „Der CEO im Fokus“.

Komplexe Herausforderung Reputationsmanagement

Hiesserich sagt, er sei von der Kommunikation ins Management gewechselt, weil es ihm immer wichtig war, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, dieselbe Stakeholdergruppe mal als Betriebswirt, mal als Kommunikator betrachten. Das Thema Reputation allgemein sei ein unfassbar komplexes Thema, das ihn fasziniert habe, vor allem wenn die persönliche Komponente, wie bei der CEO-Kommunikation, noch dazu komme.

„Die persönliche Komponente bei Reputation ist ja nicht nur von Mensch zu Mensch verschieden, sondern ändert sich bei CEOs auch im Zeitverlauf, das wird oft unterschätzt.“ Jan Hiesserich

Hiesserich, der privat einen Pilotenschein gemacht hat, zieht die Parallele zum Fliegen beim Unterschied zwischen Theorie und Praxis: Wer die Theorie aus dem Effeff beherrsche, der könne noch lange nicht fliegen. Er habe in der Vergangenheit erlebt, wie viel Zeit in die Vorbereitung von Redetexten geflossen sei, und am Ende sei die gesamte Kommunikation zusammengefallen, weil derjenige, der sie transportieren soll, nicht in der Lage sei, das zu tun. Die Rollenerwartung spiele bei bei CEOs und Piloten eine wichtige Rolle: es werde eine gewisse Kompetenz erwartet.

Rollenerwartungen und Authentizität

Die Passagiere und Mitarbeiter erwarten in diesem Beispiel einen Leader. Jemanden, der erstmal Klarheit hinein bringt, den Change, das Mindset im Unternehmen vorantreibt, sich auch nach außen positioniert. Der CEO kann sich aber auch als Visionär, als Manager, als Stratege oder beispielweise als Teamplayer positionieren. Hiesserich hat diese Rollen in seinen Büchern beschrieben. Allerdings müsse sich kein CEO auf eine dieser Rollen festlegen. Die Rollen verstehen sich wie ein Pool, aus dem man sich je nach Unternehmen, Situation, Kontext und Persönlichkeit bedienen kann. Das Prinzip kennt man aus der Psychologie, speziell der systemischen Sichtweise, unter dem Stichwort „inneres Team“ oder als die verschiedenen „Hüte“, die man aufhat. Es kommt darauf an, welcher Anteil im Sinne des Unternehmens in einer Situation stärker hervortritt. Die Rollendimension, die in Hiesserichs CEO-Navigator vorgestellt werden, seien nichts anderes als typische Rollenerwartungen, die aus unterschiedlichsten Richtungen an CEOs herangetragen werden, also beispielsweise der Betriebsrat, der den CEO lieber als Bewahrer sieht. Der Kapitalmarkt bevorzugt den Change-Agent, die Politik den Corporate Citizen. Unterschiedliche Menschen und Stakeholdergruppen stünden dahinter, deswegen bekomme das Thema strategische Passung großes Gewicht.
In der Forderung, mal solle dagegen „ganz authentisch“ sein, wird Authentizität oft als „echt“ sein übersetzt oder dass man einfach so sei wie immer. Aber man ist eben nicht immer derselbe, wenn man die Kinder zu Hause betreut oder im Jobinterview sitzt. Trotzdem kann man immer echt sein. Als Josef Ackermann 2004 als Angeklagter im Mannesmann-Prozess sein Victory Zeichen im Gerichtssaal gezeigt habe, da war er hochgradig authentisch, meint Hiesserich, aber für die Reputation des Unternehmens und für seine eigene Reputation sei es katastrophal gewesen. Er ist sprichwörtlich aus der Rolle gefallen.

„Wir reden nicht von Authentizität per se, sondern wir reden von Rollen-Authentizität und das ist … eben nicht Schauspielerei“ Jan Hiesserich

Hiesserichs Bücher sollten nie ein simples Strickmuster für die CEO-Positionierung sein. Es ging ihm vor allem darum, das Bewusstsein zu schärfen dafür, warum es so wichtig ist, sich mit Rollen auseinanderzusetzen. Viele CEOs nähmen aber tatsächlich Schauspieltrainer. Gute Schauspieler würden sich die Rollen zu eigen machen, mit persönlichen Elementen füllen, eine überzeugende Schnittmenge finden – darum gehe es auch bei den CEOs.

CEO-Positionierung und Measurement

Prinzipiell seien Messungen schwierig, weil sie häufig etwas messen würden, was schon passiert ist und nicht unbedingt den Weg nach vorne, er bezeichnet das als Rearview Management. Trotzdem gebe es natürlich Hinweise, ob man den Weg, den man strategisch festgelegt hat, auch wirklich verfolgen würde. Der Kontext sei entscheidend, man müsse sich bei der CEO-Kommunikation vieler Determinanten bewusst sein.

„Daten blind zu vertrauen, das funktioniert nur selten… wir brauchen Cross Checks. Eine Messung alleine wird nie reichen und am Ende des Tages geht’s um Erwartungsmanagement.“ Jan Hiesserich

CEOs seien am erfolgreichsten, wenn sie ein gutes Gefühl dafür entwickeln, was die Erwartungen seien, die an sie gestellt würden. Ein Bewusstsein für die Stakeholder und die eigenen Rollen zu entwickeln sei wichtig, wenn man nach vorne schaue.
Für die Messung in der Rückschau gibt es einige Ansätze – zur Social Media Performance der Dax-CEOs sind gerade einige Benchmark-Studien veröffentlicht worden. Da geht es darum, wer wie stark auf Social Media unterwegs ist, wer die größte Reichweite auf welchem Kanal hat, wer welche Themen besetzt und wer den intensivsten Dialog auf Social Media-Kanälen erreicht. Aber das sage noch nichts über die Rolle und die Erfüllung der Ziele des Unternehmens aus.
Hiesserich findet es positiv, dass diese Studien bei den Vorständen Aufmerksamkeit für die strategische Arbeit der Kommunikationsabteilungen schaffen und damit den Kommunikatoren den Rücken stärken. Für die Orientierung nach vorne in der täglichen Arbeit seien sie allerdings wenig relevant.

Gegenwind aushalten

Häufig ginge es den CEOs darum Akzente zu setzen, dafür brauche man immer Kontrast und müsse mit dem Mainstream brechen. Und manchmal müsse man, wenn man langfristig positive Effekte erzielen wolle, kurzfristig umstrittene Entscheidungen treffen. Solche langfristig in die Zukunft wirkenden Entscheidungen werden vielleicht nicht umgesetzt, wenn man nur auf die aktuellen Messdaten schaut und diese eben auf Gegenwind und Popularitätsverlust weisen. Hiesserich verweist hier auf Gerhard Schröder und die Umsetzung der Agenda 2010.

 „Daten ersetzen keinen Mut. Daten ersetzen keine Überzeugung und sie ersetzen keine Kreativität.“ Jan Hiesserich

Obwohl der CEO im Vordergrund steht, werden solche Entscheidungen nicht alleine getroffen, sondern müssen mit den Top Executives abgesprochen und vom gesamten Unternehmen getragen werden. Das Unternehmen muss genug Vertrauen in den CEO haben und der CEO muss genug Durchhaltevermögen und Überzeugungskraft haben, um das durchzuhalten.

Kreativität und Social Media

Muss jeder CEO auf Social Media erfolgreich sein und ist Elon Musk, der mittlerweile eine Fanbase wie ein Popstar aufgebaut hat, ein Vorbild? Social Media erlaubt die Kontrolle über das eigene Narrativ, das sei sehr viel wert, meint Hiesserich. Außerdem bieten die sozialen Medien ganz andere kreative Möglichkeiten und Kreativität sei eines der besten Rezepte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Herbert Diess (VW) sei da ein gutes Beispiel. Aber Social Media lebt eben auch von der Person und wenn man nicht der Typ dafür sei, dann sei es nicht zu empfehlen.

 „Ich glaube, wir müssen in der Kommunikation deutlich mehr Mut zur Kreativität haben und da ist Social Media natürlich ein ein tolles Tool.“ Jan Hiesserich

CEO-Positionierung und das Vertrauen in Unternehmen

Studien wie das Edelman Trust Barometer zeigen, dass es einen Vertrauenszuwachs in Unternehmen gibt, und Vertrauen wird stark an Persönlichkeiten geknüpft.
Der CEO ist also bei Social Media aktiv, basierend auf der mit dem Executive Board entwickelten Unternehmenspositionierung und Strategie, und kann so mit der jeweils passenden Rolleninszenierung seine Stakeholder direkt ansprechen. Damit sind explizit nicht nur die Shareholder, sondern alle Bezugsgruppen des Unternehmens gemeint. Social Media ist so auch ein Instrument der Vertrauensgewinnung und damit des Erhaltes der Licence to operate bei den wichtigen Stakeholdergruppen.
Vertrauen sei um so wichtiger, wenn Menschen vor großen Veränderungen stehen, meint Hiesserich, und obwohl das im kollektiven Bewusstsein noch nicht angekommen sei, nehme die Veränderungsgeschwindigkeit momentan exponentiell zu. Da müssten sich die Führungskräfte einfach wieder stärker einbringen.

„Wie häufig hat man früher den Satz gehört, nö, da lassen wir mal die Fakten für sich sprechen, als ob Fakten jemals für sich gesprochen hätten, sie sind für sich genommen ja auch nicht ansprechend“ Jan Hiesserich

Hiesserich geht davon aus, dass der Elitenbegriff in den letzten Jahren so massiv gelitten habe, weil sich Eliten dem Diskurs entzogen und sich nicht eingebracht hätten, sondern immer nur auf die Fakten und die Politik verwiesen habe. Und auch die Politik leide darunter, dass die Politiker so schwer greifbar wären und sich meist nur schwammig äußern würden. Wie sollen die Leute denn jemandem vertrauen, von dem sie gar nicht wissen, wofür er steht und was er eigentlich ist, fragt Hiesserich.

Positionierung und Politik

Politiker sind in so einem Fall in ihrer Rolle nicht klar identifizierbar. Sie erliegen vielleicht der Versuchung, möglichst viele Rollen auf sich zu vereinen, um viele potentielle Wähler anzusprechen. Hiesserich geht davon aus, dass die Abhängigkeit der Politiker von Umfragedaten stark zugenommen hat. Die Umfragewerte würden den Wahlkampf und die Debatten bestimmen und so trete ein Kontrollverlust ein. Er sei der festen Überzeugung, dass man auch im Bundestagswahlkampf den Menschen da deutlich mehr zutrauen hätte können.

Fazit

Zusammengefasst: wichtig ist ein Zusammenspiel aus

  • Datensensibilität, aber mit Cross-Checks, mit Kontext, systemischem Denken und Interpretation, damit einen die Daten nicht einseitig beeinflussen
  • Zielabgleich: Als CEO muss man Durststrecken aushalten können und sein Ziel trotzdem verfolgen
  • Erwartungsmanagement, gerade gegenüber den Menschen, mit denen man an der Positionierung arbeitet.

Wenn man kreativ seine Positionierung und Rolle nach dem aktuellen Geschehen und der Kommunikationsstrategie ausrichtet, braucht man nur punktuell in die Daten sehen, ob der eingeschlagene Weg ok ist.

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Über Jan Hiesserich

Jan Hiesserich hat Politikwissenschaften an der Universität Bonn studiert und dann einen Master in “Internationalen Beziehungen” an der Karlsuniversität Prag gemacht. Er absolvierte an der Universität von Pennsylvania ein Executive Education Programm und nahm in Harvard am High Potential Leadership Programm teil.15 Jahre lang hat er als Berater für Kommunikation bei Finsbury Glover Hering gearbeitet, ab 2020 war er Head of CEO Communications & Strategic Positioning beim Softwarekonzern SAP und seit Anfang dieses Jahres Communication & Strategy Executive beim US-amerikanischen Datenanalyse-Unternehmen Palantir Technologies.