Kommunikations-Controlling im Alleingang – ist das möglich und machbar? Unser Gast Mario Greiner hat es getan. Er ist Pressesprecher einer großen staatlichen Organisation, der man gerne starre Prozesse unterstellt: der Arbeitsagentur. Seine Chefin und die Kolleginnen und Kollegen überzeugt er mit Zahlen aus einem agil aufgesetzten und effektiven Measurementprozess.

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Mario Greiner ist bei der Agentur für Arbeit in Gotha verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Gerade jetzt, wo viele Menschen in Kurzarbeit sind und sich die Arbeitssituation vielerorts im Wandel befindet, rückt die Kommunikation der Agentur in den Fokus der Aufmerksamkeit. Greiner kann sich auf Insights aus seinem Kommunikations-Controlling stützen, das er seit 2014 weiterentwickelt – aus eigenem Antrieb und größtenteils als Einzelkämpfer.

Die Bundesagentur für Arbeit hat ein sehr intensives Controlling. Es gibt über vierhundert Kennzahlen in allen möglichen Bereichen: im Arbeitgeberservice, in der Vermittlung, im Reha-Bereich, bei der Berufsberatung. Dort wird überall über Ziele geführt. Aber für die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing gibt es keine Kennzahlen und Ziele. Um seine Erfolge auch zu messen hat Greiner deshalb mit Kollegen zusammen ein Excel-Tool gebaut. Und das so einfach wie möglich: Er hat sich gefragt, welche Zahlen entscheidend sind, was er braucht, um steuern zu können und daraus entstand sein Tool.

„Ich fand das immer ein sehr gutes Mittel, um zu sagen: Was mache ich eigentlich den ganzen Tag und wie stellt sich das Ganze dar?” Mario Greiner

Entwicklungszeit und täglicher Aufwand
Es hat insgesamt wohl eine gute Woche gedauert, das Tool zu entwickeln. Das war aufwändig, ist aber nicht von heute auf morgen entstanden. Es entwickelt sich und wächst permanent weiter.
Das Excel-Tool zu befüllen ist sehr einfach. Eingetragen werden die Kommunikationsaktivitäten, sei es eine Presseinformation, sei es ein Tweet oder eine Medienanfrage. Das Befüllen des Tools dauert maximal zwei Minuten am Tag. Aber die Ergebnisse, die es automatisiert liefert, sind Gold wert. Messen kann Greiner fast jede Art von Kommunikation, sowohl persönliche als auch Presseberichterstattung oder Social Media. Er ist auf Twitter und Xing aktiv und erfasst, was ausgespielt wird und welche Reaktionen es gibt.

Daten sammeln und überzeugend aufbereiten
Greiner fehlen in der zentralen Medienresonanzanalyse der Agentur für Arbeit bestimmte Perspektiven. Er ergänzt sie um die Medien, die er selbst liest und rezipiert, und er nutzt Google Alerts. Egal auf welchen Kanälen, sei es nun der Printbereich, Radio, Fernsehen oder Online-Medien; es ist ihm wichtig zu wissen, was dort läuft. Die erste halbe bis ganze Stunde im Büro gehört somit der klassischen Medienschau und der Medienanalyse und dabei wird das Tool parallel entsprechend befüllt.

Relevanz überzeugend nachweisen
Das Tool misst, welche Themen in welcher Häufigkeit ausgespielt wurden, in welchen Kanälen man wie oft präsent ist, wie oft man in welchen Medien erwähnt wurde und mit welcher Resonanz – war die Berichterstattung positiv, negativ oder neutral. Außerdem wird immer ein Zielbezug auf operative Schwerpunkte der Arbeitsagentur, wie zum Beispiel Berufsberatung, vermerkt. So ein lebendes System sollte man permanent nachsteuern können, deshalb sind diese Ziele anpassbar: Kurzarbeit zum Beispiel war in den letzten Jahren überhaupt kein Thema, mit der Pandemie und dem Lockdown hat sich das geändert und er hat das Thema in den Zielkatalog aufgenommen. Das Thema Geflüchtete dagegen spielt seit anderthalb Jahren im Kontext der Berichterstattung eine untergeordnete Rolle. Greiner erhebt einen Anzeigen-Äquivalenzwert, um seinen Output in einem Gegenwert in Euro zu beziffern. Einmal im Jahr reportet er an Teamleiter und Geschäftsführung in der Beratung. Im letzten Jahr wäre der Anzeigenäquivalenzwert 222.000 Euro gewesen. Soviel hätte es gekostet, die verzeichneten Beiträge in den Medien zu finanzieren. Mit Büro, Miete, Technik, etc. kostet Greiner seinen Arbeitgeber im Jahr etwa 150.000 Euro: damit kann er nachweisen, dass er profitabel arbeitet. Von 2017 auf 2018 ist das Anzeigenäquivalent um 100.000 EUR gefallen, weil sich die Kanalstrategie geändert hat. Aktivitäten, die im in dem Printbereich nicht mehr liefen, wurden weggelassen und dafür andere ressourcenintensive Kanäle wie zum Beispiel Xing und Twitter eröffnet. Das Tool macht das transparent und kann eine Argumentationshilfe sein, wenn diskutiert wird, ob Kommunikation zentralisiert werden muss und ob man als Einzelkämpfer so eine Medienvielfalt stemmen kann.

Ergebnisse für die Vorgesetzen und die Kollegen
Mit Hilfe des Controllings kann Greiner seine Chefin besser beraten. Er kann ihr sagen, welche Kanäle und Medien und auch Publikationszeiten sich auszahlen und welche eher nicht, wo sie zurückhaltend sein kann. Er legt vorher Ziele für sich fest und weiß, welche Presseinformation sie eigentlich gar nicht spielen müssen oder bei welchem Thema kein Zitat von ihr nötig ist, sondern jemand anderes sprechen kann. Außerdem ist die Vorgesetzte gegenüber der Regionaldirektion permanent aussagefähig:
Wie oft waren die Agentur in welchem Medium vertreten? Was ist das thematische Profil der Geschäftsführung in der Medienberichterstattung?

Bei den Kollegen gibt es sehr oft Wünsche, zu welchen Themen kommunizieren werden soll.  Greiner kann aufgrund der Daten begründen was läuft – oder was zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht läuft. Er errechnet eine Übernahmequote, d.h. wie viel ausgespielt wurde und wie viel prozentual in Medien übernommen wurde. Davon leitet er ab, ob ein bestimmtes Thema besser zu einem anderen Zeitpunkt gespielt werden sollte oder in einer anderen Aufbereitung.

Als Einzelkämpfer im Verbund
Es ist einfacher, als Einzelkämpfer Themen zu entwickeln und zu platzieren. Auch die Entwicklung von Kriterien für das Controlling-Tool geht schneller, wen man sich nicht abstimmen muss. Wenn sich dagegen Termine ballen wird es schwierig. Greiner hat eine Kollegin, die ihn in der Agentur entsprechend unterstützt und kann sich im Verbund der Pressesprecher in Thüringen Unterstützung holen.
Die Pressesprecher von Sachsen-Anhalt und Thüringen tagen im November und machen die Planung für das nächste Jahr. Sie legen fest, welche kommunikativen Ziele sie haben und welche Themen sie wann spielen wollen. Die Ergebnisse aus dem Excel-Tool sind ein gutes Instrument für die Gestaltung und Steuerung der Kommunikationsprozesse und der Kommunikationsangebote.

Wie gewinnt man Mitstreiter?
Das Tool wurde anfangs für alle Pressesprecher der sechzehn Agenturen der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen eingeführt und damals mehr oder weniger intensiv genutzt. Problematisch war, dass Ziele in der Agentur nur auf Teamebene ausgewertet werden. Wenn das Team aber nur aus einer Person besteht, läuft das auf eine Einzelüberwachung hinaus – und damit waren Kollegen nicht einverstanden. Wenn alle 220 Pressesprecher der Agentur auf so ein Tool verpflichtet würden, würde der Hauptpersonalrat kritisch mitreden. Deshalb wurde die Nutzung auf Freiwilligkeit umgestellt. Die Kennzahlen werden daher auch nicht offiziell in das Kennzahlensystem der Agentur eingebunden.

„Das Wort Controlling wird im Deutschen immer mit Kontrollieren verbunden. Das hält sehr viele Kommunikatoren ab. Wenn man erklärt, wie man seine Arbeit mit dem Tool optimal steuert, wird es für sie oft attraktiver.“ Mario Greiner

Mittlerweile stellt Greiner das Tool öfter auf internen Seminaren für Kommunikatoren vor. Inzwischen hat er bundesweit 15-20 Kollegen, die es für sich umschreiben und einsetzen. Freiwilligkeit ist eine gute Basis, der Gewinn an Steuerung und Lernen gute Argumente. Man kann damit zu entscheiden, was ist wichtig ist und was man weglassen kann und so mit der Arbeitszeit, die zu Verfügung steht, effektiv umgehen.

Wie geht es weiter mit dem Tool?
Als nächstes will Greiner die Zielbezüge im Bereich Social Media stärker miteinbeziehen. Bis jetzt erfasse er eher quantitativ, was auf Twitter passiert.
Im Bereich Veranstaltungen baut Greiner neue Messgrößen ein. Wieviel Resonanz erzeugen Einladungen über Social Media-Kanäle und wieviel über die per Post? Damit misst Greiner seinen Anteil an der Gästegewinnung: von 80 verfügbaren Plätzen für die aktuelle Veranstaltung wurden 72 über seine Kanäle akquiriert. Pressemarketing hat also einen gewichtigen Anteil zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen. Netzwerk und Netzwerkpflege spielen eine Rolle. Das ist ein Beispiel für die Rückkopplung zwischen Measurement und die Art und Weise, wie die Kanäle bespielt werden. Es ist eben nicht nur eine Abbildung des Status Quo, sondern ständige agile Weiterentwicklung. Ein starres System, das zehn Jahre besteht, ohne wieder angefasst zu werden, wäre überhaupt nicht zeitgemäß.

Drei Tipps, um gut anzufangen:

  • Das Wichtigste: nicht einfach anfangen nur zu messen. Sondern zuerst überschaubare Ziele festlegen, nicht zu viele, sonst wird das System zu groß.
  • Danach überlegen, wie man messen möchte und welche Messgrößen nötig sind.
  • Schließlich einfach starten, und sei es mit einer ganz einfachen Excel-Tabelle. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen brauchen kein ausführliches Tool. Es reicht zu notieren, wann Themen ausgespielt wurden, ob und wie sie wiedergegeben wurden, welches Anzeigenäquivalent sie hatten und die Reaktion in sozialen Medien.

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Mario Greiner bei der Agentur für Arbeit Gotha

Im Podcast erwähnte Folien aus dem Tool:

Über Mario Greiner

Mario Greiner ist Pressesprecher bei der Arbeitsagentur Gotha. Mit einem Diplom als Verwaltungswirt der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung hat er sich Mitte der 90er Jahre als Unternehmensberater im Immobilienbereich selbständig gemacht und eine betreute Wohnanlage aufgebaut. Anfang der 2000er Jahre war er zunächst Pressesprecher der Stadtverwaltung Gotha, dann des Landrates. Seit 2007 ist er Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Arbeitsagentur Gotha.