Kommunikatoren mögen beim Gedanken an Kontrolle zurückschrecken. Controlling bedeutet aber nicht primär Kontrolle, sondern einen strukturierten Prozess von Planung, Zielsetzung und Steuerung durch Messung. Für Kommunikatoren bietet das eine Menge hilfreiche Anregungen. Es geht um Grundprinzipien des Managements. Ebenso richtig aber weniger sperrig könnte man statt von Kommunikations-Controlling auch von Kommunikationsmanagement sprechen.
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Der Begriff Kommunikations-Controlling hat sich in Deutschland seit 2006 zu einer Marke entwickelt, die die Communities zusammenbringt: Einerseits die Kommunikatoren und andererseits die Controller. Die Schreibweise mit Bindestrich unterstreicht, dass zwei sehr verschiedene Bereiche zusammenkommen. Die Kommunikatoren verstehen sich auf Beziehungsmanagement und hatten in der Vergangenheit wenig mit BWL zu tun. (Inzwischen gehören BWL-Themen zur Ausbildung von Kommunikatoren.) Den Betriebswirten in den Unternehmen oder in den Verbänden wie im Internationalen Controller Verein ICV dagegen muss Kommunikation mit ihrem betriebswirtschaftlichen Vokabular erklärt werden – so ist die Disziplin entstanden.
Kommunikationsabteilungen in Unternehmen denken in Ereignissen, von Tag zu Tag. Mit Kommunikations-Controlling kann man für den Manager den iterativen Managementkreislauf dahinter sichtbar machen. Damit kann er in einem Lernprozess Ziele planen, immer wieder neu definieren, Maßnahmen umsetzen und mit Hilfe von Messmethoden und Datenerfassung zeigen, ob er erfolgreich war, Ziele erreicht hat oder eventuell gar die Strategie ändern muss.
„Mit der Management-Disziplin Kommunikations-Controlling macht der Controller für den Manager die Methoden und die Prozesse transparent.“ Reimer Stobbe
Es gibt eine bemerkenswerte DIN-Spezifikation, die im Controllerverein immer hochgehalten wird. Sie folgt der Prämisse, dass die Rationalität im Vordergrund steht und opportunistisches Verhalten des Managements verhindert werden soll. Das ist weit weg von einfacher Kontrolle, das bedeutet nachhaltiges Handeln; eine arbeitsteilige Auseinandersetzung, um gemeinsam zielorientiert arbeiten zu können.
Der ICV Fachkreis Kommunikations-Controlling beschäftigt sich damit, diese Methoden, diese Managementpower einzusetzen, um die Kommunikationsabteilungen mit ihren Instrumenten, mit ihren Zielen, ihren Kampagnen zu steuern. Man kann dem Kommunikationsmanagement im engeren Sinne Instrumente an die Hand geben, um den eigenen Bereich zu steuern. Oder man kann groß denken: Es ist die strategische Aufgabe der Kommunikationsfunktion im Unternehmen, die Beziehung des Unternehmens zu seinen Stakeholdern zu steuern.
Wie sieht das im praktischen Alltag aus, wenn man sich durch Measurement leiten lässt?
Ich überlege mir zum Beispiel eine ganz tolle Landing-Page für ein bestimmtes Thema, für eine Zielgruppe, auf der Website. Ich überlege mir: „Das finden die cool, da steigen sie ein, hier ist ein Podcast, den hören die bestimmt gern, und dann gehen sie von da auf die Verkaufsseite und klicken auf den Kontakt“. Damit habe ich die Konzeption.
Dann baue ich die Website und warte, ob am Ende irgendwas ankommt. Oder ich messe direkt, was passiert: ich schaue in Web Analytics, ob sich diese Leute, die auf die Website kommen, wirklich so verhalten wie erwartet. Dann kann ich entscheiden, die Seite so umzubauen, dass die Leute genauso abgeholt werden wie sie es offensichtlich möchten. Basierend auf den Daten, die erhoben werden und dem Bericht vom Controller. Auf diese Weise überprüfe ich meine Annahmen. Ob die Nutzer etwas ganz Anderes machen bekomme ich nur mit, wenn ich die Daten dafür habe.
Das ist ein Lernprozess. Man muss bereit sein das, was man am Anfang als Konzept so toll fand, komplett wieder in Frage zu stellen und zu ändern. Das ist gar nicht so einfach, denn in der Regel verlaufen Projekte ja linear: Auftrag, Ausführung, Entlastung und der Job ist beendet. Hier will man aber immer wieder optimieren, um mittels Datenerhebung oder auch im direkten Kontakt zu Zielgruppen immer besser zu werden.
Das heißt, die Projektmanager sind damit konfrontiert, dass ihr Projekt nie zu Ende geht, weil es immer wieder Optimierung und Wiederholungsschleifen gibt. Es ist eine Hürde, diese Denkweise in Kommunikationsfunktionen einzuführen. Man braucht die Bereitschaft, einzugestehen, dass man Dinge falsch gemacht hat und muss dazu stehen. Manchmal ist es in den betreffenden Unternehmen nicht möglich zu sagen: „Da haben wir uns in die falsche Richtung bewegt. Jetzt korrigieren wir unser Ziel.“ Weil Fehler gleich zu Vorwürfen oder zu Versagensängsten führen.
Wie verbreitet ist Kommunikations-Controlling?
Mittlerweile gibt es eine Menge richtig guter Beispiele wie Kommunikations-Controlling geht und wie es in konkreten Geschäftsmodellen angewandt wird. Sowohl auf der operativen Ebene – wie steuere ich zum Beispiel eine Website oder eine Kommunikationsabteilung – als auch unternehmensweit. Oft werden aber mit einem Führungswechsel solche Modelle und Methoden wieder abgeschafft. Für sich genommen kann eine Kommunikationsabteilung eine Menge machen. Um aber im Unternehmen Beziehungen nach außen zu koordinieren sind Kooperation mit den Verantwortlichen im ganzen Unternehmen nötig. Das ist schwierig. Wir haben auch Beispiele gesehen wo man schon relativ weit war und dann die Uhren wieder zurückgedreht wurden.
Man braucht wenigstens ein Jahr, um von der Nullmessung auf die ersten Zielwerte zu kommen. Die Herausforderung ist es, den langen Atem zu behalten. Opportunismus im Management passt nicht zu einem Controlling-Prozess, der in langen Zyklen denkt. Der Kommunikationsverantwortliche muss es schaffen, den Dialog mit den Führungsebenen am Laufen zu halten, damit diese das Controlling weiter mittragen. Dafür braucht es richtige Vereinbarungen.
„Eigentlich ist das ja etwas ganz Tolles für einen Manager, die Möglichkeit zu haben über klare Vereinbarungen und messbare Ziele seinen Laden zusammenzuhalten.“ Reimer Stobbe
Um die Transparenz auszuhalten muss man aber schon stark mit beiden Füßen auf den Boden stehen. Aber solche Personen gibt es auf allen Implementierungsstufen. Es gibt Kommunikationsmanager in Leitungsfunktion, die das sehr gut aushalten und ein umfangreiches Kommunikations-Controlling organisiert haben. Genauso gibt es Unternehmen, in denen Kommunikations-Controlling schon wichtige Informationen liefert, auch wenn noch nicht alles umgesetzt ist. Und es gibt auch Unternehmen, die mit der Implementierung ganz am Anfang stehen.
Die Möglichkeit, zu messen und Kennzahlen zu erheben ist in den Unternehmen altbekannt. Die Herausforderung ist es, daraus ein Managementmodell zu machen und nicht einfach nur ein Rechtfertigungsinstrument für Ergebnisse und Zahlen. Das wäre zu wenig.
Funktioniert Measurement ohne Zielvorgaben vom Topmanagement?
Ein differenziertes Measurement ist da schwierig, wenn es gar keine Zielvereinbarungen vom Topmanagement gibt. Man kann als Kommunikationsmanager trotzdem in einem Ausschnitt einer Organisation konsequent mit Zielen arbeiten und durch Messung für einen Lernkreislauf sorgen. Um an die Unternehmensziele anzuknüpfen braucht man aber den Kontakt zum großen Unternehmensrahmen. Anknüpfungspunkte sind nicht nur Profitkennzahlen sondern auch Ziele, die explizit etwas mit dem Kommunikationsbusiness zu tun haben. Reputationsmanagement zum Beispiel ist eine strategische Funktion auf der Ebene des Gesamtunternehmens. Wenn es dazu klare Ziele gibt kann man da sehr schön mit Kommunikations-Controlling ansetzen.
Welche Skills braucht man?
Man muss kein Supermann sein, um Kommunikations-Controlling sinnvoll einzuführen und auch durchzuhalten. Man braucht die Kompetenz gut zu beraten, zu erklären was der Nutzen sein kann. Man braucht Fachwissen zum Thema Analytics. Man muss gut mit Metriken und den vielen verschiedenen Systemen umgehen können. Und man braucht IT-Kompetenz, um technisch umzusetzen was man verspricht. Das alles spricht sicherlich eher für ein Team als eine Einzelperson.
Man braucht eben Fachwissen aus beiden Disziplinen: den Controller, der dieses fremde Geschäft Kommunikation sichtbar machen soll in der in der Welt des Unternehmens durch seine Kennzahlen. Und den Kommunikator, der Controlling eher als Budgetkontrolle versteht. Aus diesen Kompetenzen ein gemeinsames Team zu machen ist die Herausforderung.
Wo kann man sich Hilfe holen und ins Thema reinkommen?
Der Fachkreis Kommunikationscontrolling bietet ein Methodenset, das man auch modular einsetzen kann. Das ist Handwerkszeug zum Einstieg, aber auch zum Durchhalten des Kommunikations-Controllings. Seit 2016 gibt es das Starterkit zur Konzeption und Implementierung eines Controlling-Systems für die Unternehmenskommunikation. Dort wird auch unser Wirkungsstufenmodell erklärt. Man kann sich da einlesen und natürlich auch Kontakt zum Fachkreis aufnehmen. Man kann auch Seminare besuchen.
Wer braucht welche Information?
Kommunikationsmanagement ist das an Unternehmenszielen orientierte Managen von internen und externen Kommunikationsprozessen im Unternehmen. Dafür muss man viele Disziplinen einbinden. Kommunikator, Controlling und IT müssen sichten, welche Daten im Unternehmen schon vorhanden sind und welche Indikatoren. Sie müssen herausarbeiten, wie Kommunikationsprozesse wahrgenommen und Kommunikationsangebote angenommen werden.
Man braucht dafür jemand, der das Ganze methodisch-konzeptionell durchdenkt und begleitet. Außerdem jemand, der dafür sorgt, dass durch Tracking, durch Datenerhebung oder durch Umfragen entsprechend Daten zu Verfügung stehen. Schließlich müssen die Ergebnisse an die richtige Management-Ebene gehen, dafür braucht man das Commitment der Organisation. Konkret für den Kommunikatoren oder die Kommunikatorin heißt das, aus dem Datenmaterial den Verantwortlichen für die Website einen Report an die Hand geben oder ein sogar ein Analytics Tool für ihre Einsichten in die Performance ihres konkreten Kommunikationskanals. Gleiches für Social Media – die jeweiligen Kanalverantwortlichen bekommen natürlich ganz andere Instrumente und auch Reports oder Dashboards an die Hand als die Ebene darüber. Vielleicht gibt es auch diejenigen, die eine komplette Kommunikations-Kampagne mit vielen verschiedenen Kanälen verantworten. Die bekommen vor allem Informationen zur Zielerreichung schon auf der Ebene der Kampagne.
Und dann gibt es noch den Kommunikationschef oder die Kommunikationschefin, die wollen sowas wie einen Leistungsbericht. Das ist fast das Schwierigste, weil da so viele Dinge zusammenkommen. Der Topmanagement-Report braucht eigentlich nur Ziele und zu jedem Ziel einen KPI, das reicht schon.
Das ist eine ganze Landschaft aus verschiedenen Beteiligten mit unterschiedlichen Verantwortungen und Kompetenzen. Auf den ersten Blick viel Arbeit, wenn man es vorher gewöhnt war, einfach schöne Kampagnen zu machen und sich daran zu freuen.
Elevator Pitch
Drei Minuten, drei Argumente um dem CEO im Fahrstuhl Kommunikations-Controlling zu erklären:
- Ein CEO bekommt in kürzester Zeit komplette Transparenz: welche Ziele werden eigentlich verfolgt und erreicht – mit welchen Mitteln und mit welchem Ressourceneinsatz.
- Er bekommt außerdem eine Handreichung, wie er Kommunikationsressourcen strategisch für den Erfolg des Unternehmens einsetzen kann. Mit jahrelang praxiserprobten Methoden kann man es schaffen, dass die Kommunikationsabteilung wirklich dem Unternehmenserfolg hilft.
- Mit den Instrumenten des Kommunikations-Controlling kann er auch frühzeitig erkennen, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt mit Interessengruppen des Unternehmens.
Zum Schluss: Wie anfangen?
Bevor man mit dem CEO spricht, sollte man aber zuerst die Kommunikationsverantwortlichen ins Boot holen. Menschen sind wichtige Erfolgsfaktoren, ebenso die Stimmungslage, die persönlichen Befindlichkeiten, die Beziehungen im Unternehmen. Genau wie wenn man einen Job neu anfängt, sollte man als erstes gut hinhören, wer die Auftraggeber sind und wo ihre Interessen liegen.
Wenn man versucht Kommunikations-Controlling über Wissen von draußen, also über Beratung aufzubauen, ist es sehr wichtig, dass man einen guten Ansprechpartner im Unternehmen hat der weiß wie der Laden tickt. Es ist ratsam sich zuerst nach Kooperationspartnern umzuschauen und nach potenziellen Pilotprojekten. Eine Kommunikationskampagne komplett bis zu den Zielen zu messen ist häufig einfacher als komplexe Corporate-Themen aufzunehmen. Denn gerade in der Marketing-Kommunikation hat man es häufig leichter die Businessrelevanz herauszuarbeiten.
Wer mit Kommunikations-Controlling anfangen will kann sich gerne mit der Community für Kommunikations-Controlling in den Fachkreisen in Verbindung setzen. Gerade wenn man mit diesem Thema allein im Unternehmen ist, ist es wichtig, mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen.
Oder man hört weiter zu hier auf „Measurement Mashup“, dem Podcast für Data Driven Decisions in Communication. Wir freuen uns auf den Austausch.
ICV Facharbeitskreis Kommunikations-Controlling
Arbeitskreis „Wertschöpfung durch Kommunikation“ der DPRG
Controller DIN SPEC
Kommunikations-Controlling Starter Kit
DPRG/ICV Wirkungsstufenmodel
Über Dr. Reimer Stobbe
Dr. Reimer Stobbe ist in der Marketingkommunikation der Group Communications bei Munich Re tätig. Seit 1999 hat er dort verschiedene Funktionen in der Kommunikation innegehabt, u. a. die Leitung der internen Kommunikation und des Kommunikations-Controllings. Er hat außerdem zahlreiche Kommunikationsprojekte verantwortet, wie die konzernweite Leitbildeinführung, Mitarbeiterbefragungen oder die Dialogkommunikation im Marketing. Der promovierte Historiker und Diplom-Controller leitet seit 2006 den Fachkreis Kommunikations-Controlling im Internationalen Controllerverein (ICV) und hat im Arbeitskreis „Wertschöpfung durch Kommunikation“ der DPRG Methoden und Branchenstandards zum Thema weiterentwickelt. Außerdem ist er Dozent an der Quadriga Hochschule Berlin.